Da gibt es so "Verrückte", die meinen, sie brauchen einen Abenteuerurlaub zum Ausgleich ihrer schweren Arbeit, wie z. B. die "Camel-Trophy" oder eine Nordpol-rundfahrt. Aber 1. kostet das viel Geld, sehr viel Geld und 2. sind das alles so durchorganisierte Reisen, wo sogar die P.....-Pausen reglementiert werden. Hauptsache "man" hat etwas erlebt, und je mehr es kostet, je größer das Erfolgserlebnis.

Man kann so einen Urlaub aber auch im Kleinen erleben, mit kleinem Geldbeutel und ohne große Organisation. Man braucht keine Karibik oder den schwülheißen Dschungel.

Nachdem ich im vergangenen Jahr einen sogenannten normalen Urlaub verbracht hatte, war eigentlich Allen, die mich kennen, klar, dass es diesmal wieder etwas ausgefallenes sein musste. Da in diesem Jahr zwei herausragende Von Vespa-Clubs innerhalb einer Woche lagen, stand mein Entschluss schnell fest:

Es wird heuer eine Rundfahrt mit der Vespa!

Und nicht mit irgend einer. Nein, das Eppingchen sollte dran glauben!

Zuerst, wer oder was ist das Eppingchen?

Es wurde 1975 bei Piaggio in Italien als Pritschen-Dreirad gebaut und hat die Bezeich-nung Apecar P3. 216 ccm und 10 PS treiben es zu "wahnsinnigen" 63 km/h bei einem zulässigen Höchstgewicht von 1085 kg. Bis 2001 durfte es in Tirol Pizzas und Pastas durch die Gegend schaukeln um 2002 in Deutschland zum Kastenwagen umgebaut zu werden. Mitte des gleichen Jahres landete es schließlich in Eppingen. Nach etlichen Um- und Anbauten war es schließlich zur großen Reise im Juni 2003 als "Wohnmobil" startklar.

Da man so eine Reise nicht gern allein macht, gehörte zu der Reisegesellschaft noch meine Partnerin Rita und ein Freund mit seiner1985er Vespa, die auf den Namen PK50S hört. Unser Ziel war Berchtesgaden und Wien. Da man sowieso auf Tour war, wurde ein 3-tägiger Trip nach Ungarn zum Plattensee eingeplant.

Es ist aber auch zu so einer Reise eine gewisse Planung not-wendig. Wir durften schließlich mit dem Roller nicht auf die Autobahn oder die Kraftfahrstraße und die Tagesfahrleistung sollte auf 300 km begrenzt sein. Auch sollte man wissen, wo am Abend ein Campingplatz angefahren werden kann. Mit guten Karten und einem Tourenplaner waren die Vorbereitungen relativ schnell abgeschlossen.

Am 12.06.03 war es endlich soweit. Morgens um 6.00 holten wir den Rollerfahrer voll bepackt in Niederhofen Nähe Schwaigern ab und wir tuckerten über Lauffen, Murr-hardt, Aalen, Augsburg nach München. Nach Aalen musste der kleine Motor das erste Mal zeigen, was er kann. Eine extreme Steigung ließ mich bis auf den ersten Gang runter schalten. Vor Augsburg zwang uns die Straßenbeschilderung auf die Kraftfahrstraße ohne Möglichkeit diese zu umfahren. Aber was solls? Augen zu und durch! Nach 277 km hatten wir unser erstes Etappenziel auf dem Campingplatz Obermenzing, ein Vorort von München, erreicht. Fahrzeuge und Zelt schlaffertig gemacht und ab in den nächsten Biergarten, um unseren ersten teilerfolg zu begießen. Nach dem ersten Radler mussten wir unsere Beine in Bewegung setzen, da Sturmwarnung war und es schon sehr verdächtig am Nachthimmel leuchtete und rumpelte. Regen und Wind ließen dann auch nicht sehr lange auf sich warten und wir hatten alle Hände voll zu tun, um unsere Zelte zu sichern.

Tags darauf durften wir eine Stadtrundfahrt durch München bei teilweise starkem Regen genießen. Aber je weiter wir über Ebersberg Richtung Chiemsee kamen wurde das Wetter besser und es blinzelte gelegentlich die Sonne aus den Wolken. Nach Innzell begann der Alpenaufstieg, der in Bischofwiesen beim Vespa-Club Berchtesgaden endete. Der Tacho zeigte 147 km an. Wir bekamen auch an diesem Abend den schnellen Wechsel des Wetters zu spüren. Sturm und Wolkenbrüche wechselten sich ab.

Der Samstag war ganz dem Benzinlatein und faulenzen verschrieben. Ein Teil der Besucher fuhr Mittags nach berchtesgaden und in die Berge. Abends startete die weithin bekannte Party mit zünftiger Musik und Regen in einem ehemaligen Heustadel. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass nebenan diverse Damen ihre Dienste anboten. Na ja, auch der eine oder andere Zweiradfahrer soll neben seinem Zweirad noch andere Verlangen haben?!

Nach einem sehr guten Frühstück starteten wir am 3. Tag die nächste Etappe. Bei Hallein betraten wir Österreichischen Boden. Und wieder mussten die kleinen Aggregate ihre gesamte Leistung bringen, um die verschiedenen Steigungen zu bewältigen. Kurz vor Graz kam die bisher größte Heraus-forderung für die Ape. Von ca. 450 m auf 929  m ü. M.  jaulte der Motor  über 6 km im ersten Gang. Ein kleiner Gasthof in den Bergen war dieses Mal unser Ziel, da wieder Regen angesagt war. Nach einem ausgiebigen Abendessen und 316 km hatten wir uns die Ruhe verdient.

Am nächsten Morgen ging es wieder mit wechselhaftem Wetter auf die Piste. Aber wir mussten weiter, um unser heutiges Ziel, Ungarn, zu erreichen. Beim Eppingchen knallte immer wieder eine Sicherung durch und ich hatte zeitweilig keine Blinker, Bremsleuchten und Wischer. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den Fehler fand: Ich selbst hatte einen Kurzschluss fabriziert! Aber die Fahrt durch die berge entschädigte uns wieder. Endlich, der grenzübergang nach Un-garn war erreicht! Das Wetter klärte auf und es wurde wieder wärmer. Nach 191 km sahen wir dann endlich den Plattensee von unserer Ferienwohnung.

Die nächsten 3 Tage ließen wir es uns gut gehen. Faulenzen, gutes Essen, guter Wein, Wasser planschen und ein bisschen die gegend erkunden war bei der inzwischen eingetrudel-ten Hitze genug. So durfte sich auch das Eppingchen ausruhen und es war direkt angenehm, in 3 Tg. nur 71 km zu fahren.

Am 9. Tag war die faule zeit vorbei. Die Euro-vespa rufte und es waren 227 km nach Vösendorf, einem Vorort von Wien. Vorbei an der weithin sichtbaren Festung Sümeg immer Richtung Norden. Kurz vor dem Grenzübergang nach Österreich traf uns wieder der Regen. Die Ausschilderung zum Treffplatz war eine Zumutung und wir mussten eine ganze Weile suchen. Bei der Ankunft gab es ein großes Hallo, denn unsere Clubmitglieder hatten uns schon sehnsüchtig erwartet. Es waren schon eine Menge Vespa's da, am Ende werden es wohl so an die 1600 gewesen sein. Der Begrüßungssnack war so wie die Ausschilderung, mager: entweder einen Schnaps oder ein Kekspäckchen! Da man uns am Abend den falschen Weg wies, durften wir noch eine kleine Stadtrundfahrt durch Wien machen, bis wir den Campingplatz fanden.

Nach einem guten Frühstück (ein Supermarkt lag direkt gegenüber des Platzeingangs) am Samstag gings zurück zum Treffplatz. Und da gab es doch das eine oder andere schöne Stück zu bewundern.

Es ist nur Schade, dass viele lieber ihr gutes teil verladen, als auf den kleinen Rädern anzurollern. Ich kam lange Zeit nicht von meinem Wohnmobil weg, da unzählige alles über das Fahrzeug wissen wollten. Schloss ich ab und wollte weg gehen kamen bestimmt die Nächsten und ich musste wieder aufschließen. Aber unter uns gesagt, das tat meinem Ego doch ganz schön gut!

Gegen Abend bot der Vespa-Club München eine Akrobatik-Show. Das war schon toll,   was die Mädels und Jungs drauf haben, aber nicht unbedingt im Straßenverkehr geeignet. Dank einiger allzu neugieriger Zuschauer stieg einer der Künstler unfreiwillig ab, aber es ging glimpflich aus. Natürlich mussten einige Mutige nach der Auffführung die Kunststücke nachahmen. Vor dem allgemeinen Aufbruch zum Ballabend wurde noch über den Teilemarkt geschlendert. Einige Händler hatten sich eingefunden um ihre gebrauchten aber auch neuen Ersatzteile los zu werden. Es gab auch Nützliches und Unnützliches zu erwerben, teilweise zu Preisen, die einem die Haare zu Berge stehen ließen.

Eine lange Schlange hungriger und sehr durstiger Vespisten drängten sich in die gläserne Pyramide. Ein lautes Ah und Oh schall uns entgegen, da die Kulisse wirklich atem-beraubend schön war. Ein Alleinunterhalter dudelte mehr oder weniger beachtet seine Musik herunter. Dann kam das Büffee! Man musste neidlos gestehen, dass es zu dem Ambiente des Gebäutes passte! Es wurde aufgefahren, dass sich die Tische bogen. Und auch geschmacklich war es hervorragend. Aber das war auch schon das Positive der Eurovespa 2003. Der Abend zog sich dahin und zu allem Übel spielten auch noch die Geiger zum Tanz auf. Ich habe nichts gegen die typische Österreichische Zigeunermusik, aber muss das gleich 1 1/2 Stunden gehen? Zwischendurch das übliche Blabla, aber wenigstens wurden gegen später noch kleine Snacks angeboten. Die Preisverleihung war wie immer gegen Mitternacht. Im nachhinein gesehen hat das Abendessen in der wunderbaren Kulisse einige der Mankos wettgemacht, aber nicht alles!


Packen und Verabschieden hieß es am Sonntag. Obwohl wir erst gegen Mittag wegkamen, wollten wir doch noch einige km schaffen. Erst durch Wien, dann Richtung St. Pölten und Melk. Nach 120 km und einige Minuten nach Ybbs fanden wir einen kleinen, direkt an der Donau gelegenen, Campingplatz. Herd anschmeißen und eine große Ladung Nudeln mit Soße abkochen war unsere erste Handlung. Ein kleiner Spaziergang die Donau entlang rundete den Tag ab.

Am 12. Tag ließen wir es früh anlaufen. Zusammenpacken und in bzw. auf die Fahrzeuge schwingen damit wir flott Richtung Heimat kommen. Durch das schöne Donautal, vorbei an Grein und Linz, kamen wir in Schärding auf Deutschen Boden. Zwischenzeitlich hatte uns der Sommer voll getroffen und voe Allem Alex kochte in seiner Motorradmontur. In Landshut wurde ein Zwischenhalt beim Vorbesitzer vom Eppingchen gemacht. Der staunte nicht schlecht, als er sah, was aus seinem "rosa Schweinchen" geworden war. Bei Ingolstadt und nach 360 km war endlich für diesen Tag Feierabend. Wieder mussten wir in einen Gasthof einkehren, weil zum x-ten Mal starker Regen angesagt war. Und eins muss man den Bayern lassen, sie können eine hervorragende Brotzeit servieren.

Der letzte Tag fing gut an: Wind, Regen und Hagel waren unsere musikalischen Begleiter beim Frühstück. Kaum waren wir "on Tour" hatte die PK einen Plattfuß. Und zu allem Übel war auch noch an einer Radschraube das Gewinde defekt. Nach einer Stunde konnten wir dann endlich die Weiterfahrt in Angriff nehmen. Das Wetter wurde langsam wieder besser und somit auch unsere Stimmung. Und man khätte meinen können, die Fahrzeuge würden den heimischen "Stall" riechen: Es lief immer besser, je mehr Ortsnamen auf den Hinweisschildern standen, die wir kannten. Über Aalen und dem Kochertal waren wir gegen Nachmittag in Niederhofen um unseren Junior, fertig aber glücklich, bei seiner Familie abzuliefern. Das Eppingchen hatte noch den "Buckel" über den "Otti" zu überwinden und wir waren nach 2000 km endlich wieder zu Hause.

Resümee:

Es war anstrengend aber schön. Eine Ape ist kein "Luxusschlitten" und der Platz ist mehr als beengt. Aber wir haben Dinge gesehen, die sieht man von der Autobahn nicht. Wir befuhren Straßen, da hätte mancher mit seinem hubraumstarken Vehikel bedenken gehabt.

Man kann auch im "Kleinen" seine Abenteuer haben. Es muss nicht unbedingt eine Afrika.Safari sein, um seinen eigenen "Schweinehund" zu überwinden und seine persönlichen Grenzen auszuloten.

Wie oft ging der Adrinalin-Spiegel nach oben, wenn zum wievielten Mal riskant überholt wurde. Wie oft stieg der Blutdruck, wenn sich das Motorengeräusch änderte. Ständig war man darauf gefasst, dass irgend ein Teil am Fahrzeug seine Funktion einstellt. Schließlich ist es für so kleine Motörchen nicht selbstverständlich mit dem mitgeführten "Ballast" innerhalb weniger Tage eine Strecke von 2000 km zurückzulegen!

Aber das zeigt wieder ein Mal die Qualität einer Vespa, sofern man das Fahrzeug in "Schuss" hält!

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http://bernd23.magix.net


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